Gründe für die sportpsychologische Beratung

Warum sucht jemand einen Sportpsychologen auf?

Warum Sportlerinnen, Sportler, Trainerinnen und Trainer sportpsychologische Beratung in Anspruch nehmen, hat unterschiedliche Gründe. 
Ziemainz, Neumann, Rasche und Stemmler (2006) fanden in ihrer Untersuchung folgende Ursachen: 
für Athletinnen und Athleten waren es die Themen Trainingsweltmeister (35,1 %), Leistungsoptimierung (29,7 %) und Verletzungsmanagement (21,6 %).
Für Trainerinnen und Trainer sind Coaching (38,1 %), Kommunikation (28,6 %) und Verbesserung im Umgang mit der Mannschaft/Athleten/Kollegen (28,6 %) die häufigsten Anlässe für die Inanspruchnahme einer sportpsychologischen Beratung. 

Diese Belege spiegeln sich auch in der persönlichen alltäglichen Praxis wider. Daher ist es notwendig nicht nur die Ursachen, sondern auch die Implikationen, die sich daraus ableiten lassen, genauer unter die Lupe zu nehmen.

Unterschiedliche Gründe

So vielfältig die Biographien von Sporttreibenden sind, so vielfältig sind auch die Anlässe für das Aufsuchen eines Sportpsychologen. Unabhängig vom Leistungsniveau, besteht wohl das gemeinsame Ziel unter Druck, unter Wettkampfbedingungen, die bestmögliche Leitung abzurufen. Gelingt das nicht, scheitert man über eine längere Zeit an seinen Ansprüchen, kommen Verletzungen dazwischen, stellen sich, neben den körperlichen Hindernissen auch emotionale und psychische Probleme ein.
Demnach ist eine sorgfältige sportpsychologische Diagnostik und Anamnese, die Ursachen und Hintergründe für Leistungshindernisse abklärt, die Voraussetzung für eine zielgerichtete und systematische Intervention. Diese wissenschaftliche begründete und hochwertige Praxis der Sportpsychologie muss im Unterschied zum Mentaltrainer ohne einschlägige Ausbildung gesehen werden (Beckmann & Kellmann, 2008).

Auch die Anforderungen an Trainerinnen und Trainer sind in den letzten Jahrzehnten gewachsen und können in vier Bereiche gegliedert werden:
Sachkompetenz, Personale Kompetenz, Sozialkompetenz & Methodenkompetenz (Friedrich, 2014)
Während Sach- und Methodenkompetenz in den meisten Ausbildungsplänen zur Genüge vermittelt werden, sind die anderen beiden Bereiche oft unterrepräsentiert und als „bereits vorausgesetzt“ betrachtet. Ein großer Fehler wäre, zu glauben, dass man Kompetenzen auf dieser Ebene nicht entwickeln kann. Aber gerade die Gründe warum Trainerinnen und Trainer sportpsychologische Beratung in Anspruch nehmen, sprechen dagegen. Die Sportpsychologie kann hier einen wesentlichen Beitrag zu einer vollständigen und umfangreicheren Ausbildung leisten.

Notwendige Konsequenzen

In Anlehnung an die Empfehlungen der International Society of Sport Psychology (2018) meine ich, dass folgende Implikationen für die sportpsycholgische Praxis bestehen:
1. Der Zusammenhang zwischen körperlichem und geistiger Gesundheit stellt einen wesentlich Auftrag an die Sportpsychologie. Es ist die Aufgabe das psychische Wohlbefinden von Sportlerinnen und Sportler in allen Phasen der Leistungserbringung zu unterstützen (vor, während und nach einem Wettkampf).
2. Gerade im Spitzensport ist ein ganzheitlicher Blick auf die Entwicklung und die Lebensplanung von Athletinnen und Athleten zu richten. Die Aufgabe der Sportpsychologie besteht in der Vermittlung von psychologischen Fertigkeiten und Coping-Strategien, um Krisen und unerwartete Ereignisse zu verarbeiten. Auch die Planung der Zeit nach der aktiven sportlichen Karriere ist hier ein wesentlicher Aspekt.
3. Die Vermittlung von Wissen an Trainerinnen und Trainer über die negativen Auswirkungen von psychischen Problemen und Stress auf das körperliche und geistige Wohlbefinden und somit die Leistungsfähigkeit. Hier sollten vor allem in der Traineraus- und fortbildung Schwerpunkte gesetzt und Vorbehalte abgebaut werden.

Nicht nur die genaue Untersuchung der Ursachen für das Aufsuchen sportpsychologischer Beratung und der daraus abgeleitete Betreuungsplan sind Hauptaufgaben der Sportpsychologie. Auch die Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und des Wissenstransfer an alle Beteiligte und Verantwortliche im Sport stellen eine wesentliche Herausforderungen dar. 

Literatur

Beckmann, J., & Kellmann, M. (2008). Sportpsychologische Praxis: Von der Diagnostik zu Training und Intervention. Enzyklopädie der Psychologie: Anwendungen der Sportpsychologie, 1-39.

Friedrich, W. (2014). Optimales Trainerwissen: Sporttheorie und Sportpraxis für Trainer und Übungsleiter. Spitta Verlag.

Schinke, R. J., Stambulova, N. B., Si, G., & Moore, Z. (2018). International society of sport psychology position stand: Athletes’ mental health, performance, and development. International journal of sport and exercise psychology, 16(6), 622-639.

Ziemainz, H., Neumann, G., Rasche, F., & Stemmler, M. (2006). Zum Einsatz sportpsychologischer Diagnostik in der Praxis des Leistungssports. Zeitschrift für Sportpsychologie, 13(2), 53-59.